Ultra Marathon Marburg 50 km. Eigentlich waren ja schon die 50 km in Rodgau als Test für den Rennsteig geplant. Leider kam mir eine Erkältung dazwischen, welche mir die Teilnahme unmöglich machte. Also blätterte ich Rennkalender der DUV nach weiteren Ultras im Februar/März und ich fand recht schnell den Lahntallauf in Marburg am 28.02., ein 50 km Ultralauf mit viel Tradition, der schon seit 1995 ausgetragen wird, zudem ist der Ultralaufverein Marburg der Ausrichter, so dass man davon ausgehen konnte, dass alles gut organisiert ist. Das war es auch.
Der Lauf war dieses Jahr auch die “20. Deutschen Meisterschaften der DUV im 50km-Lauf” mit der Folge, dass es einen Teilnehmerrekord gab. Zugleich war natürlich die nationale Ultramarathon Rennelite aus ganz Deutschland am Start, ich zitiere die Ankündigung der DUV
“Beide Titelverteidiger aus 2014, Nele Alder-Baerens (USC Marburg) und Niels Bubel (Die Laufpartner Berlin), haben gemeldet. Dazu kommen zahlreiche Mitglieder der DLV-100km- und 24h-Kader.Für 100km-Läufer wie Florian Böhme (TSV Kusterdingen), Jan-Hendrik Hans (LG Wettenberg), Tobias Hegmann (TSG Kleinostheim) und viele andere ist das 50km-Rennen eine hervorragende Standortbestimmung im Hinblick auf die am 11. April stattfindende 100km-DM. Das 24h-Nationalteam nutzt den Termin in Marburg zu einem Vorbereitungswochenende auf die 24-Stundenlauf-WM am 11. April in Turin: es sind mit Florian Reus (LG Würzburg) ein 2-facher Europameister und 4-maliger Deutscher Meister, mit Antje Krause (USC Marburg) eine 3-fache Deutsche Meisterin und mit Stu Thoms (SV 1919 Woltersdorf) ein Spartathlon-Sieger sowie weitere mit internationalen Medaillen dekorierte deutsche Lang-Ultras 50km lang (z.T. sogar länger...) laufend zu beobachten. Simone Philipp (TV Jahn Kempten) vertritt das aktuelle Ultratrail-Nationalteam im Flachland.
Als Favoriten gelten die Titelverteidiger, aber bei den Männern ist Florian Neuschwander (Spiridon Frankfurt) als Jahresschnellster 2014 mit 2:58:43 h und amtierender Vizeweltmeister im Ultratrail vielleicht noch stärker einzuschätzen. Ebenfalls zu beachten sind Sabine Schmitt (USC Mainz) und Moritz Kufferath (TV Refrath), die 2014 in Marburg siegten, sowie natürlich Pamela Veith (TSV Kusterdingen), allein in 2014 3-fache Deutsche Meisterin und Vizemeisterin über 50km.”
Ich reiste, wie viele andere, schon am Freitag Abend an und übernachtete in Marburg. Ich hatte schon viel von der Stadt gehört, war aber noch nie dort und muss sagen, ein Besuch lohnt sich, auch völlig unabhängig von Sportevents. Eine wirklich schnucklige Uni-Stadt mit ganz viel Fachwerk, vielen kleinen Gaststätten und einem schönen Schloss über der Stadt. Den Freitag Abend verbrachte ich mit Sightseeing, “Carboloading” beim Italiener und einem Schlaftrunk in einem Bistro in der Altstadt. Dort traf ich eine Reihe anderer Läufer und wir hatten einen netten, wenn auch kurzen Abend, denn zumindest ausschlafen wollte ich vorher. Anders als bei meinen Marathons hatte ich das Training vor dem Wettkampf nicht reduziert, warum auch, sind ja nur 50 km ;-)
Dieser Übermut sollte sich am Ende auch rächen.
Mein Ziel war es, auf “Ankommen” zu laufen, lockeres Tempo, bisschen schneller als 6 er Pace (=10 km/h), das ergab eine Zielzeit von knapp unter 5 Stunden. Insgeheim liebäugelte ich zwar mit der 4:45 h, aber das war dann doch schon wieder ein gutes Stück schneller (10.52 km/h bzw. Pace von 5:41 min/km im Schnitt), das wollte ich mir nicht als Ziel setzen, aber ich hatte es im Hinterkopf, falls das Rennen gut laufen sollte.
Es kam der Start, vorne rannten sie los wie die Feuerwehr, die beiden schnellsten wollten den Deutschen Rekord über 50 km, der bei 2 h 52 lag, unterbieten. Da zeitgleich auch noch die 3 anderen Wettbewerbe (10 km, Halbmara, Mara) gestartet wurden, war es in der 1. Runde sehr voll unterwegs. Ich lief gemütlich mein Tempo und kam knapp unter 1 Stunde, mit 57:33 min zum ersten Mal nach 10 km durchs Ziel. Das war mir fast zu entspannt, also wurde ich etwas schneller. Da die 10 km Läufer schon weg waren, gab es auch mehr Platz. Der Blick auf die GPS Uhr ergab immer mal wieder ein Renntempo von knapp unter 11 km/h, dann habe ich jedes Mal das Tempo reduziert, denn es sollte ja ein “Trainingslauf mit Startnummer” und nicht ein “richtiges Rennen” werden. Die zweiten 10 km waren etwas schneller als die ersten (57:10), aber schön in Zielkorridor und ich fühlte mich nach 20 km entspannt und locker. Im Kopf begann es zu rechnen: wenn du jede der 5 Runden 3 min schneller läufst als 60 min, wird es am Ende vielleicht doch ein 4:45 h. Mmmmhhh….
Na gut, ein bisschen schneller kann ich schon noch. Jetzt waren auch die Halb-marathonis weg und nur noch die (wenigen) Marathonläufer und eben die rund 250 Ultras unterwegs. Ich begann, mir die Mitläufer “auszugucken”: der da vorne in der gelben Gore Jacke hat eine Ultrastartnummer, den könntest du vielleicht noch…. und der mit den orangenen Kompressionsstrümpfen ist auch nicht schneller … und der im roten “Ultra LG Berlin” Trikot ist nur ein paar Meter weiter usw...
Es begannen jetzt auch die Überrundungen. Von hinten flogen die Topläufer in einem unglaublichen Tempo an mir vorbei. Die Pace der Topläufer schaffe ich nicht mal über 10 km und die laufen 50 in dem Tempo. Ich bin mit meinen 21.5 er BMI nicht wirklich dick, aber im Vergleich zu diesen bin ich fast adipös, unglaublich wie hager die Typen zum Teil waren.
Aber auch ich begann das Ende des Feldes aufzurollen, erst kam den die ganz langsamen, dann die sehr langsamen usw.
Aber die Steigerung im Tempo hatte auch zur Folge, dass ich Läufer einholte, die in den ersten Runden ein Stück vor mir liefen. Ich kam an die 3o km Marke, die Uhr zeigte 56:33 (3:30 min gewonnen), das passt, okay, gehen wir das Projekt 4:45 h an.
Der Plan war die vierte Runde noch einen Tick schneller, aber noch mit kontrolliertem Tempo zu laufen und die letzten 10 dann einfach “alles was geht” rauszuhauen und darauf zu hoffen, dass die Beine mitmachen.
Es lief gut, ich holte immer mal wieder andere Läufer ein und überrundete, selbst überholt wurde ich nicht mehr - bis km 35. Da lief ein anderer Läufer im grünen Trikot an mir vorbei und gab auf Nachfrage auch an, ebenfalls noch 1.5 Runden laufen zu müssen, okay, an den hängst Du Dich dran. Zunächst klappte das nicht. Er war nicht viel, aber eben den berühmten Tick schneller, den ich nicht zulegen wollte, ohne dass ich riskiert hätte, am Ende vielleicht doch noch “blau” zu werden. Und so zog er etwas davon, erst 10 , dann 20, dann 50 Meter, am Ende vielleicht auch 100. Es kam die 40 km Marke, die Zwischenzeit ergab 55:45, perfekt, direkt hinter mir wurde ein schneller Läufer mit Endzeit 3:46 begrüßt, okay, also noch einmal eine 58 er Runde und dann hast Du es geschafft.
10 km sind eine Distanz, die ich eigentlich immer laufen kann, da kann doch eigentlich nichts mehr schief gehen oder? Die Beine war zwar müde und die Füße schmerzten, aber das sind doch keine großen Probleme und Schmerzen kann man ignorieren. Kurz hinter km 42 der Blick auf die Uhr 3:58 h, als ein Marathon unter 4 h “im Vorbeigehen” als Trainingslauf, das ist doch mal was.
Und auch “der Grüne” kam wieder näher, erst langsam, dann deutlicher. Kurz vor km 44 hatte ich ihn dann fast eingeholt, da entschwand er plötzlich in die Büsche. Na gut, weiter da vorne sind noch zwei andere, die holen wir jetzt auch noch.
Das Tempo und die fehlende Trainingspause rächte sich nun aber doch und ich bekam Demut vor der Streckenlänge. Innerhalb weniger Kilometer schmerzten meine Beine und Füße wie die Hölle, Erinnerungen an Hannover wurden wach, immerhin blieben die Krämpfe aus.
Zum Glück ging es anderen nicht besser und ich ging noch 4 Läufern vorbei, aber die letzten 3 km, eine Distanz, die ich sonst fast auf einem Bein laufe, wurden zur Qual.
Endlich war das Ziel da, ein letzter Anstieg über die Lahnbrücke, nochmals hinunter und dann die letzten 100 Meter als innerer Triumph und mit nochmals 56:10 sec und somit einer Gesamtzeit von 4:42 h überquerte ich die Ziellinie.
Alles geschafft, super. Der letzte km von Start/Ziel zur Turnhalle, wo die Ersatzklamotten und Duschen waren, war allerdings ein wirklich schwerer Gang. Meine Beine hatten fertig für diesen Tag, war eben doch ein Wettkampf und nicht nur ein Trainingslauf.
Die Platzierung war dagegen sehr erfreulich, Platz 19 von 38 in der Altersklasse 50 ist bei diesem Spitzenklassefeld schon eine Ansage, da muss ich mich nicht schämen.
Wolfgang Kölsch